>> Blausteiner Nachrichten Nr. 2 und 3 <<
13.1.2017

„Hybridweizen – für wen ?“

Der Strukturwandel von vielgestaltigen bäuerlichen Landwirtschaftssystemen hin zur monotonen agrotechnischen Produktionsweise hat nicht erst mit dem Anbau gentechnisch veränderter (gv-) Sorten begonnen. Vielmehr nahm er seinen Anfang mit der Entwicklung der Hybridzüchtung seit über hundert Jahren, schon kurz nach der (Wieder-)Entdeckung der MENDELschen Grundregeln der Vererbung. Grundlage dafür war die Beobachtung (bei Mais in den USA), dass bei der Kreuzung verschiedener reinerbiger Elternlinien (die zuvor erst einmal - durch Inzucht - gewonnen werden müssen) die erste (also dann möglichst weitgehend einheitlich mischerbige, sogenannt hybride) Folgegeneration (sogen. F1-Generation) in günstigen Fällen einen Ertrag aufweist, der mehr oder weniger höher ist als derjenige der ursprünglichen Pflanzenpopulation. Dieser Effekt verschwindet allerdings oder verkehrt sich womöglich sogar, wenn sich die Pflanzen der F1-Generation wiederum untereinander fortpflanzen, weil nach den Grundregeln der Vererbung dabei wieder alle möglichen Kombinationen der vorhandenen Erbanlagen zu Stande kommen.

Einfacher und im Klartext gesagt: diese Ertragssteigerung wird damit bezahlt, dass die Jahrtausende alte bäuerliche Tradition des „Nachbaus“, wonach ein Teil der Ernte als Saatgut für das folgende Jahr dient, außer Kraft gesetzt wird und stattdessen alljährlich frisches Hybrid-Saatgut verwendet, d. h. gekauft werden muss.

Die Durchführung der Hybridzüchtung ist im Einzelnen hochkomplex und vom Landwirt selbst nicht mehr zu leisten, hatte auch bei Mais zunächst mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen und war heftig umstritten. Erst nach vielen Jahren und dem Einsatz weiterer komplizierter Schritte brachte sie deutliche Erfolge.
Inzwischen hatte man jedoch durch vergleichbare Kreuzungsverfahren ähnlich erfolgversprechende – sogenannte „synthetische“ - Sorten entwickelt, die noch dazu „samenfestes“, d. h. nachbaufähiges Saatgut ergaben, bei dem der Landwirt also auch seine eigene Ernte zur erneuten Aussaat verwenden kann. Eine enge Verflechtung von Kommerz und Politik führte jedoch dazu, dass seit den 1930ern in den USA unter immensem Aufwand immer bessere Hybriden erzeugt wurden, während „nahezu niemand versucht hat, samenfeste Sorten zu verbessern, obwohl wissenschaftliche Beweise zeigen, dass diese Sorten heute, wäre derselbe Aufwand in sie gesteckt worden, genau so gut oder sogar besser wären als Hybriden“ (Kloppenburg 2004).
Die neuen Maishybriden dagegen wurden geschickt beworben, der Gewinn aus dem Saatgutverkauf schnellte von nahezu Null in märchenhafte Höhe. Bereits 1965 betrug ihr Anteil an der Mais-Anbaufläche der USA 95%, d. h. die Landwirte hatten sich von hochgradig gewinnorientierten Saatgutkonzernen weitgehend abhängig gemacht.

Bis heute wird versucht, ungeachtet des erforderlichen enorm hohen Aufwands, bei immer mehr Arten und Sorten die Hybridzüchtung durchzusetzen; bei Gemüsesorten war das in Deutschland bis zum Jahr 2000 schon zu über 80% geschehen und auch bei Getreide bestehen bis heute große Ambitionen. Z. B. bei Roggen ist dadurch eine erstaunlich hohe Ertragssteigerung möglich. Doch inzwischen bemüht man sich auch um Hybriden von Kulturpflanzen , bei denen der Züchtungsaufwand noch größer als sonst ist und kaum Verbesserungen zu erwarten sind.

Das gilt in ganz besonderem Maße für Weizen. Seine Erbausstattung und Bestäubungsbiologie machen Hybridzüchtung extrem schwierig und der Ertragszuwachs liegt nur bei ca. 10%. Nicht umsonst ist Weizen die letzte bedeutende Nutzpflanze bei der noch in nennenswertem Umfang Nachbau möglich ist; in Deutschland geschieht das immerhin noch zu über 50%. Hybridweizen ist derzeit mit weniger als 2% der EU-Weizenanbaufläche und weltweit unter 1% noch immer eine Nischenkultur. Aber seit einigen Jahren wird die Züchtung von Hybridweizen enorm forciert, und zwar nicht nur durch die führenden Saatgutkonzerne, sondern auch mit gleichzeitiger massiver Unterstützung seitens der Politik auf internationaler wie auch nationaler Ebene - in einem Ausmaß, das an die Anfangszeit der Hybridzüchtung in den USA erinnert. Die Verlockung, auch bei Weizen mit Hybrid-Saatgut, weil es sich nicht durch Nachbau sortenecht vermehren lässt, das große Geschäft zu erobern, erscheint geradezu unbezwinglich. So stellen in Deutschland das Bundeslandwirtschafts- und das Bundesforschungsministerium für einschlägige Programme seit 2011 Fördermittel in rasch gesteigerten Millionenbeträgen zur Verfügung, 2014/15 allein schon für zwei Projekte 6 Mio Euro. Indessen haben etliche Fachleute gut begründete Zweifel; ob Hybridweizen wirklich den Wettbewerb gewinnt, bleibt im Moment eine offene Frage. Dabei ist es - gelinde gesagt mehr als – bedenklich, dass hohe öffentliche Mittel in eine Züchtung gesteckt werden, von der die bäuerliche Landwirtschaft wenig, private Konzerne jedoch sehr viel zu erwarten haben.

Die aktuellen Entwicklungen könnten allerdings auch schon ohne den großen Durchbruch gravierende Folgen haben. Die drei wichtigsten:

  • Es liegt in der „Natur“ der Hybridzüchtung, dass die genetische Basis des Saatguts sehr stark eingeengt wird, und zwar nicht nur innerhalb einer Hybridlinie sondern auch zwischen den verschiedenen Hybridlinien untereinander. Genetisch stärker homogene Sorten bieten im industriellen Agrarsystem zwar Vorteile, sind aber erheblich anfälliger gegen Krankheiten und andere Stressfaktoren.

  • Die Verfügbarkeit und Vielfalt bei Weizensaatgut wird zusätzlich eingeschränkt werden, da es für kleinere Unternehmen noch schwieriger wird, sich gegenüber den schon jetzt dominierenden Saatgut-Riesen zu behaupten.

  • Der Abhängigkeit der Landwirte von monopolistischen Saatgutkonzernen würde weiterer Vorschub geleistet.


Angesichts der skizzierten Situation drängt sich überhaupt die Frage auf, ob der immense Aufwand für die Ausweitung der Hybridzüchtung – insbesondere auch im Hinblick auf die für Klimaschutz und Stopp des Artenschwunds erforderliche grundlegende Agrarwende - sinnvoller für andere Forschungs- und Züchtungsprogramme eingesetzt werden sollte.


Näheres unter
PfeilGenethischer Informationsdienst (12/2016)

BuchBuchtipp: ANJA BANZHAF: Wer die Saat hat, hat das Sagen (2016)

Veranstaltungstipp:

Samstag, 4. Februar 2016, ab 16.30 Uhr, Haus der Begegnung Ulm

Anja Banzhaf "SAATGUT - WER DIE SAAT HAT, HAT DAS SAGEN"
Vortrag - Saatgut-Workshop - Saatgut-Börse

 


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